Ein Kommentar von CT in der 2. Ausgabe der Zeitschrift kulturhaupstadt2024.at
Verkehrte Welt in Vorarlberg. Die vier Rheintal-Städte Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Hohenems starten gemeinsam mit der Regio Bregenzerwald einen gemeinsamen Prozess für eine übergreifende Kulturstrategie und fassen eine Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt ins Auge.
Vorarlberg, insbesondere das Rheintal braucht einen Kulturentwicklungsprozess. Die unterschiedlichen Zugänge der Städte zu einem kulturellen Leben, oft geprägt durch konkurrenzierendes Denken, verhindern gemeinsame Strategien und Lösungen. Dies kann durch diese gemeinsame Initiative optimiert werden. Dabei gilt es Entwicklungspotenziale sichtbar zu machen und gesellschaftspolitische Entwicklungen wie beispielsweise den Umgang mit Notreisenden oder Roma-Bürgern aus kultureller Sicht zu betrachten. Daraus kann ein zeitgemäßer Kulturbegriff formuliert werden, der den Menschen viel mehr ins Zentrum der Wahrnehmung rückt: Wie wollen wir hinkünftig arbeiten, wie wollen wir uns fortbewegen, wo darf Kunst scheitern, wo entstehen neuen künstlerische Hotspots, welchen Raum benötigen Jugendkulturen, welchen Stellenwert bekommt Kreativwirtschaft?
Kulturelle Besonderheiten der Region stehen im Fokus, denn eine Kulturhauptstadt darf definitiv kein Kunstsupermarkt werden. Dies resultiert auf der grundlegenden Angst, berechtigterweise von Kulturschaffenden und Künstlern, dass eine Kulturhauptstadt eine Plattform für den Einkauf von Kulturprojekten darstellt. Nicht die großen Namen sind einzuladen, sondern die Geschichten der Menschen vor Ort und des Lebensraumes gilt es in einem europäischen Kontext darzustellen.
Man würde glauben, dass sich eine Landesregierung glücklich schätzen müsste, wenn Kultur dort diskutiert wird, wo sie stattfindet, in den Städten und Gemeinden. Doch all diese Ansätze, die in den vergangenen zwei Jahren sehr breit diskutiert wurden und nun von einem gemeinsamen Büro koordiniert werden, scheinen bei den Verantwortlichen der Vorarlberger Landesregierung auf wenig Gegenliebe zu hören. Es gäbe keinen überzeugenden Inhalt, so die Aussage des zuständigen Kulturlandesrates Christian Bernhard. Mittlerweile, im April 2017, ist jedoch Bewegung in die strategische Entwicklung am Modell der Kulturhauptstadt gekommen.
Meist heißt es jedoch, dass Inhalte und Konzepte zu wenig ausgereift sind, sie bräuchten noch Zeit. Genau deswegen kann zum jetzigen Zeitpunkt noch kein finales Konzept vorgelegt werden. Eine Kulturhauptstadt braucht einen breiten Diskurs. Themen wie Stadttypus, Grenzen und Naturraum, die auch abseits einer Bewerbung für das Rheintal relevant sind, werden verdichtet. Dient eine Europäische Kulturhauptstadt der Orientierung der Region, kann sie sinnstiftend für die Menschen wirken? Was verbindet, was trennt die Menschen? Fragen, die es in einem Beteiligungsprozess gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, Stakeholdern, Kulturschaffenden und Künstlern zu erarbeiten gilt. Das ist der Ansatz, den die Verantwortlichen der Rheintalstädte definiert haben. Und dies wird der Stadtregion Rheintal auch unabhängig einer Europäischen Kulturhauptstadt dienen.
Christoph Thoma (43), Musiker, Kulturmanager und Kulturpolitiker, war bis Ende 2016 einer der Antreiber der Rheintal-Bewerbung 2024 sowie bis Mitte 2016 Geschäftsführer von Bregenz Tourismus & Stadtmarketing. Mittlerweile hat sich Thoma mit Culturelab e.U. (www.culturelab.at) selbständig gemacht und berät unter anderem deutschen Bewerberstädte für 2025 sowie unterschiedliche Kulturprojekte in den Bereichen Strategie und Positionierung.