Die Wahl des Salzkammerguts als Europäische Kulturhauptstadt 2024 ist für mich gleichbedeutend mit einer Diskussion über Urbanität. Traditionell werden Kulturhauptstädte mit urbanen Zentren assoziiert, die durch ihre Dichte und kulturelle Infrastruktur den idealen Nährboden für kulturelle Veranstaltungen und folglich die kulturelle Positionierung bieten.
Im Gegensatz dazu ist das Salzkammergut eine ländliche Region, die sich durch ihre Natur- und Landschaftsschönheiten auszeichnet. Dies wirft die Frage auf, ob die urbane Dimension und die damit verbundenen kulturellen Dynamiken hier ausreichend vorhanden sind, um den Titel zu rechtfertigen. Es besteht die Gefahr, dass die fehlende Urbanität zu einem geringeren kulturellen Austausch und einer reduzierten Sichtbarkeit führt.
Was muss eine Kulturhauptstadt leisten?
Eine Kulturhauptstadt sollte kulturelle Vielfalt fördern, den interkulturellen Dialog stärken und eine nachhaltige kulturelle Entwicklung unterstützen. Sie soll eine Plattform bieten, auf der lokale Künstler und kulturelle Akteure ihre Arbeit präsentieren und sich mit internationalen Kollegen vernetzen können. Darüber hinaus sollte sie das kulturelle Erbe der Region hervorheben und zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Die Herausforderungen und Chancen im Salzkammergut könnten eine neue Interpretation dieser Ziele darstellen, indem sie zeigen, wie auch weniger urbane Regionen kulturell aufblühen können.
Langfristige kulturelle Entwicklung: Wie kann und soll das hier gelingen?
Die langfristige kulturelle Entwicklung im Salzkammergut hängt davon ab, wie gut es gelingt, die Projekte und Initiativen der Kulturhauptstadt über das Jahr 2024 hinaus zu erhalten. Es ist wichtig, dass die kulturellen Einrichtungen und Netzwerke, die während der Kulturhauptstadt entstehen, weitergeführt und weiterentwickelt werden. Dies kann nur durch nachhaltige Förderprogramme, Partnerschaften mit internationalen Kulturinstitutionen und die Einbindung der lokalen Bevölkerung geschehen. Die Schaffung dauerhafter kultureller Infrastrukturen und Programme ist entscheidend, um den kulturellen Aufschwung langfristig zu sichern.
Muss die EU dieses Gefäß zur Stärkung der kulturellen Vielfalt verändern?
Es stellt sich auch die Frage, ob das Konzept der Kulturhauptstadt angepasst werden muss, um auch ländliche Räume besser zu integrieren. Die EU müsste überlegen, wie sie die kulturelle Vielfalt nicht nur in Städten, sondern auch in ländlichen Regionen stärken kann. Dies könnte durch spezifische Programme und Förderungen geschehen, die auf die besonderen Bedürfnisse und Potenziale dieser Regionen eingehen. Eine solche Anpassung könnte dazu beitragen, kulturelle Vielfalt in ganz Europa zu fördern und gleichzeitig den ländlichen Regionen eine stärkere Stimme zu geben. Ja genau, das wäre eine positive Entwicklung, die zur positiven Wahrnehmung der EU führen könnte.
War es die richtige Entscheidung, Bad Ischl und nicht Dornbirn oder St. Pölten zu wählen?
- Die Entscheidung, Bad Ischl zur Kulturhauptstadt 2024 zu ernennen, anstatt Dornbirn oder St. Pölten, war mutig und zeigt eine neue Richtung für das Programm auf. Das schürt in mir die Erwartung, dass die Jury diese Erkenntnisse ernst nimmt und das Gefäß der Europäischen Kulturhauptstädte überdenkt, möglicherweise weg oder von der Stadt hin zur ländlichen Region. Damit käme Europa vermutlich direkter bei den Menschen im ländlichen Raum an.
- Wie erfolgreich das Salzkammergut sein wird, hängt am Ende des Tages davon ab, ob es strukturelle Veränderungen gibt, die zumindest einige Ansätze (Projekte) über das Jahr 2024 hinaus bestehen lassen.
- Denn schlussendlich geht es um „neues“ Geld für die Zeit ab 2025, um diese ländliche Kulturregion visionär und wegweisend zu etablieren.
Heißt zusammengefasst: Die Wahl von Bad Ischl zur Kulturhauptstadt 2024 anstelle von Dornbirn oder St. Pölten war mutig, da sie den Fokus auf ländliche Regionen lenkt. Der Erfolg hängt von langfristigen strukturellen Veränderungen ab, um Projekte über 2024 hinaus fortzusetzen. Wichtig wird sein, dass ab 2025 neue finanzielle Mittel bereit stehen, um die Region nachhaltig als Kulturstandort zu etablieren. Nur so kann verhindert werden, dass das Salzkammergut ein einjähriges Feuerwerk war, sprich das „Kulturhauptstadt-Ufo“ nicht einfach nach Chemnitz und Nova Gorica weiterziehen wird.