Gesellschaften und Städte unterliegen soziologischen Trends. Sie verändern sich entlang gesellschaftlicher Leitlinien wie Demographie, Migration, Digitalisierung oder Wertewandel. Es geht um Visionen zukünftiger Stadtbilder, die es zu schärfen und positiv aufzuladen gilt.
Christoph Thoma im Gespräch mit dem Hamburger Stadtmarketing-Experten Thorsten Kausch.
Was sind die zentralen Herausforderungen von Städten?
Städte stehen im regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerb um Investoren, Fachkräfte, Bewohnerinnen und Bewohner, Touristen und Unternehmen. Darauf gilt es mit einer glaubwürdigen und auf den eigenen Stärken basierenden Strategie zu reagieren. Nur so kann die Zukunftsfähigkeit einer Stadt gesichert werden. Und damit reagieren Städte auf Fragen der Digitalisierung wie des Wertewandels gleichermaßen.
Worin siehst du den Mehrwert im Zusammenspiel von Stadtmarketing und Kulturentwicklung?
Beide Felder beschäftigen sich mit dem Zusammenleben von Menschen und deren Bedürfnissen. Häu g agieren sie jedoch eher solitär und nutzen die Sicht-weisen des jeweils Anderen kaum. Eine Stadt hingegenlebt von der Bebauung und den sich daraus bietenden Möglichkeiten des Lebens. Und genau hier, beim „Raum nutzen“ kommt die Kultur ins Spiel. Daher sind dies zwei wichtige Faktoren für eine positive Stadtentwicklung.
Wir reden heute von Lebensräumen, Kooperationskultur und Positionierung. Wie hat sich Stadtmarketing im Laufe der Jahre verändert?
Früher ging es um das Senden von Botschaften über eigene Bilder, Printprodukte, Messeauftritte bis hin zu Bewegtbildern, um die Attraktivität zu erhöhen. Heute ist es Aufgabe des Stadtmarketings, Personen und Institu- tionen sowie Initiativen zusammenzuführen und diesen bei der Umsetzung ihrer Ideen zu helfen. Dabei geht es um das Bauen von Brücken, das Öffnen von Türen und das Ermöglichen des Unmöglichen und Überraschenden.
Wie siehst du heute, rückblickend, die Entwicklung der Elbphilharmonie? Welchen Mehrwert hat die Stadt erfahren?
Die Elbphilharmonie ist heute der Identifikationsort für Hamburg und strahlt nach innen und außen: als Ort, als architektonische Landmark und als Konzerthaus mit Weltklassekonzerten. Dies war ein langer und beschwerlicher Prozess. Heute sind alle stolz, und das macht mich sehr zufrieden.
Gibt es überhaupt noch Zukunftspotenziale für Hamburg?
Die Potenziale liegen darin, die aktuelle Relevanz best- möglich weiterzuführen und mit Themen der Stadt strin- gent zu verbinden. Damit kann Hamburg einen möglichst hohen „Return on Investment“ für den Standort und die dort lebenden Menschen erzielen.
Du warst ein Verfechter der Olympia-Idee für Hamburg. Was bleibt nach dem Aus der Bewerbung?
Der Stachel sitzt noch immer tief. Zwar wurden einige zukunftsweisende stadtentwicklungspolitische Ansätze aufgegriffen, die nach und nach realisiert werden. Einelementares Thema ist jedoch noch nicht bearbeitet:die Bürger für ein qualitatives Wachstum und damit für Veränderungen in der Stadt zu gewinnen. Es gibt noch immer eine grundsätzliche Ablehnung beispielsweisegegenüber Stadtentwicklungsprojekten. Dies hat viel mitAkzeptanz und Berücksichtigung der Perspektiven der Bewohnerinnen und Bewohner zu tun.
Was steckt hinter der Stadtmanufaktur?
In der Stadtmanufaktur wird dem Stadtmarketing der Zukunft Raum gegeben. Es geht um das Zusammenspiel der Akteure einer Stadt, um daraus positive Effekte für den Standort zu entwickeln. Im Zentrum steht dabei die Identität und abzuleitende Maßnahmen. Es gilt, den eigenen Denkhorizont zu erweitern und das Interagieren von Stadtentwicklern, Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen, Wirtschaftstreibenden sowie Bürgerinitiativen und Interessenvertretungen zu ermöglichen und konkreten Mehrwert zu schaffen.
Ein konkretes Projekt der Stadtmanufaktur ist ein Geschäftsführer-Netzwerk von Stadt-marketingorganisationen. Was ist das Ziel dieser Plattform?
Das Business-Netzwerk „Stadtmanufaktur“ ist eine Plattform für Entscheider von Stadtmarketing-Organi- sationen, die sich mit aktuellen Entwicklungen intensiv auseinandersetzen. Mit Hilfe von kritischen Fragen, einem offenen Diskurs und inhaltlichen Impulsen werden Themen in kleinen und qualitativ hochwertigen Runden diskutiert, die anderswo nicht erörtert werden können.
Thorsten Kausch ist selbständiger Berater für Stadtmarketing und politisch-strategische Kommunikation. Von 2006 bis 2016 war er Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH sowie der Hamburg Tourismus GmbH (2010 bis 2013) und der Hamburg Convention Bureau GmbH (2013 bis 2016). Damit lagen unter anderem die strategische Ausrichtung des Stadtmarketings sowie die Entwicklung von Hamburg als Veranstaltungsstandort in seiner Verantwortung. Zuvor war er Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (Landtag) sowie persönlicher Referent des Senators für Wirtschaft & Arbeit (Landesminister). Er ist Mitherausgeber von „Städte als Marken 1+ 2“.