Kein Zweifel, gelungene Tourismusangebote haben das Potential zu Erfolgsgeschichten: Während das wirtschaftliche Wachstum und die zunehmende Mobilität breiter Bevölkerungsschichten in den vergangenen Jahren Ankünfte und Nächtigungen generell steigern ließen, konnte insbesondere die ökonomische Bedeutung des Kulturtourismus deutlich zunehmen.
Das EU-Projekt „Kulturhauptstadt Europas“ hat diese positive Entwicklung nachhaltig befördert, wie ein Blick auf Århus, die Europäische Kulturhauptstadt 2017, eindrucksvoll belegt. Culturelab #2-Herausgeber Christoph Thoma über die pulsierende dänische Küstenstadt, die sich neben Kopenhagen als zweite Stadt des Landes positioniert hat.
Städte leben von Landmarks
Es gibt durchaus Kulturakteure, die Kulturhauptstädte kritisch betrachten. Das hat damit zu tun, dass Großprojekte gerne einen Verdrängungswettbewerb in Gang setzen. Dass es auch anders geht, erlebt man bei einem Besuch im dänischen Århus. Eine beeindruckende Landmark der Europäischen Kulturhauptstadt 2017 ist das ARoS Kunstmuseum. Im Jahr 1859 von Bürgern der Stadt gegründet, beherbergt das Museum Dänemarks größte Kunstsammlung außerhalb von Kopenhagen. Es besitzt bedeutende Sammlungen dänischer Kunst aus drei Jahrhunderten und eine beachtenswerte Menge moderner Kunstwerke.
Bereits 2011 wurde diese großartige Institution mit dem „Your rainbow panorama“ des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson und durchaus mit Blick auf die Kulturhauptstadt Europas weiter aufgewertet – ein Signal dafür, dass neue Impulse auch der Stadtentwicklung dienen und auf einer stringenten Kulturstrategie fußen. Mit seinem begehbaren Kunstwerk – ein runder, 150 m langer und drei Meter breiter Gehweg aus Glas, der in allen Farben des Spektrums erstrahlt – schafft Eliasson einen Dialog mit der vorhandenen Architektur und verstärkt das schon vorher Existente, also den Blick über die Stadt. Es ist tatsächlich ein Grenzgang hoch über Århus und insbesondere ein Moment des Innehaltens, etwas, das in unserer Zeit grundsätzlich zu kurz kommt. Das war auch eine Kernaussage des Creative World Forums, das Anfang November mehr als 2000 kreative Köpfe aus der ganzen Welt in die dänische Küstenstadt gebracht hat.
Kulturstrategie als Garant für Nachhaltigkeit
Ob es in Århus nach dem Kulturhauptstadt-Jahr zu Sparprogrammen oder einem großen kulturellen Kahlschlag kommt, darf bezweifelt werden. Kulturamtsleiter Ib Christensen baut auf eine langfristige Vor- und Nachbereitung der Aktivitäten im Rahmen der Kulturhauptstadt. Die große Herausforderung war schon im Vorfeld eine kritische Darstellung der Ausgangslage, die damit einhergehende Definition eines Strategiezieles sowie die Identifikation von konzeptiven Leitplanken. SWOT-Analysen, eine Innen- und Außensicht, auf keinen Fall schon zu Beginn Lösungen. Århus hat von Beginn an auf eine breite Beteiligung der Zivilgesellschaft gesetzt. Nur so können Visionen und Ziele formuliert werden. Unterschiedliche Sichtweisen vertiefen zudem im laufenden Betrieb der Kulturhauptstadt die wechselseitige Wahrnehmung. Auf diese Weise ist »Re-Think« entstanden – ein Motto, ein Jahresthema, das Mut macht sich zu hinterfragen, neu zu denken und konsequent neue Wege zu beschreiten.
Gallery Grisk
Alle reden von Co-Working, von neuen Impulsen für die Kultur- und Kreativwirtschaft. In Århus habe ich so einen Ort gefunden, der mich mehr als fasziniert hat, die Gallery Grisk. Ein türkisch-stämmiger Friseur direkt neben dem Streetart-Künstler, daneben ein Grafiker, ein Programmierer und noch dazu eine unglaublich stimmige Bar: Die Gallery Grisk ist ein Ort, den jede Stadt gerne hätte. Die Kreativwirtschaft konzentriert sich im Grunde darauf, neue Geschäftsideen und -methoden zusammenzuführen, zu überdenken und oder schlichtweg zu entwickeln. So kann Neues entstehen, die Wirtschaft wachsen, Urbanität gefördert und Raum für Erfinder oder neue Designs geschaffen werden. Ein Bedürfnis, das in der Gallery Grisk erfahrbar gemacht wird. Nachahmenswert!
Faszinierende gastronomische Vielfalt
Am Ende meiner Erfahrungen aus Århus darf ich auf einen essentiellen Teil eines breiten Kulturbegriffes kommen, das kulinarische Angebot. Wer durch die Straßen von Århus flaniert, wird von der Vielfalt an gastronomischen Angeboten für eine Stadt mit 330.000 Einwohnern überrascht sein. Kreative Köche verarbeiten vorwiegend Qualitätszutaten aus der Region bilden damit die Grundlage für eine Esskultur, die auch den gastronomischen Bereich zu einem illustren Mittelpunkt der Kulturhauptstadt macht.
Was bleibt von dieser Mittelstadt?
Das werden die kommenden Jahre weisen, aber eines scheint unübersehbar: Århus ist international geworden, Århus sucht das europäische Netzwerk, hat neue kulturelle Hotspots geschaffen und ist auf der Landkarte Dänemarks eine ernstzunehmende Alternative zu Kopenhagen geworden.