Die Jeunesse ist Österreichs führender Konzertveranstalter im Bereich der klassischen Musik. Bundesweit bespielt die Jeunesse von Wien aus 22 großteils ehrenamtlich geführte Geschäftsstellen mit mehr als 600 Veranstaltungen pro Jahr. Als Veranstalter mit Fokus auf junge Interpretinnen und Interpreten und auf ein junges Publikum zählt die Organisation auch zu den Vorreitern im Bereich der Musikvermittlung. 2019 wird die Jeunesse 70 Jahre alt. Im Interview mit CULTURELAB gibt die künstlerische Leiterin Antonia Grüner Einblick in die Zukunft des österreichweiten Musikveranstalter-Netzwerks.
Seit ihrer Gründung im Jahre 1949 verfolgt die Jeunesse das Ziel, möglichst vielen Menschen große Musikerlebnisse zu „kleinen“ Preisen anzubieten. Die Euphorie für die Musik und das Bestreben, gesellschaftliche Ent- wicklungen im Programm widerzuspiegeln, trägt die Jeunesse bis heute. Natürlich haben sich die Rahmenbedingungen in den letzten 70 Jahren geändert: finanziell, gesellschaftlich und strukturell. Aber die „Mission“ ist unverändert geblieben: „Die Jeunesse möchte vor allem bei jungen Menschen die Begeisterung für die Musik wecken, deren Verständnis fördern und auf diese Weise eine lebenslange Begleitung mit Musik initiieren“, bringt Antonia Grüner die zentrale Botschaft der traditionsreichen Organisation auf den Punkt.
Von Beginn an hat die Jeunesse einen niederschwelligen Zugang zur Musik ermöglicht und Pionierarbeit im Bereich der Musikvermittlung geleistet. „Die Jeunesse“, weiß Grüner, „ist oftmals ein erster Impuls, um über- haupt den Weg in ein klassisches Konzert zu nden oder in Form von Vermittlungsprojekten selbst aktiv mit Musik zu interagieren.“
Bis zur Jubiläumssaison 2019/20 will die Jeunesse neue Formate und Konzepte präsentieren. Es gibt genü- gend Ideen, die das Team rund um Antonia Grüner als künstlerische und Alexandra Jachim als kaufmännische Leiterin am liebsten sofort umsetzen würde. „Wir sind ständig dabei, unsere Konzepte zu überdenken und neu auszurichten“, so Grüner. „Dafür ist das 70-Jahr-Jubiläum natürlich eine enorme Triebkraft und Motivation.“
Stichwort: Outreach
Die Jeunesse will insbesondere die musikalischen Pro- gramme der sich rasant verändernden Gesellschaft anpassen. Dabei sind Akzente mit sozialem Engage- ment ein neues Betätigungsfeld. In der laufenden Saison kooperiert die Jeunesse erstmals mit JUVIVO.15, einem Wiener Verein für aufsuchende Kinder- und Jugendarbeit, der sich um kulturell benachteiligte Kinder und Jugendliche kümmert. Diesen kommen unterschiedlichste Musikvermittlungs- und Kinderkonzertformate aus dem Angebot der Jeunesse zugute.
Neues Publikum ansprechen
Strategie heißt auch, neue Wege zu gehen, betretene Pfade zu verlassen, neue Ideen zuzulassen. „Das klas- sische Konzert per se ist immer noch attraktiv, aber es braucht sicherlich neue Denkansätze und Ideen, um den Zugang so niederschwellig wie möglich zu gestalten“, gibt Antonia Grüner die Richtung vor. Zum Beispiel in der neuen Reihe „Start up!“, in der sich Talente der übernächsten Generation in kurzen Vorkonzerten dem Publikum präsentieren. Um längerfristig Publikum zu gewinnen, braucht es zusätzlich zu inhaltlicher Qualität und Innovation auch adäquate Verkaufsmaßnahmen. Neben einem zeitgemäßen Auftritt ist die persönliche Ansprache gerade für neue und junge Publikumsschichten besonders wichtig. Antonia Grüner: „Nach unserer Erfahrung ist diese Form der persönlichen Ansprache und Empfehlung – sei es in sozialen Medien oder im ,realen‘ Leben – zunehmend auch eine der nachhaltigs- ten und unverfälschtesten Möglichkeiten, um Menschen und vor allem junge Menschen für Musik zu begeistern.“
Der Wiener Wettbewerb
In der Musikstadt Wien steht die Jeunesse im Wett- bewerb mit dem Konzerthaus, dem Musikverein und der Vielfalt kultureller Angebote. Damit einher geht vor allem die Schärfung des eigenen Pro ls. „Wofür steht die Jeunesse, welche Aufgabe und Ziele verfolgen wir aktuell und in der Zukunft, wie können diese Ziele auch umgesetzt werden?“, sieht Antonia Grüner als zentrale Fragen für die nächste Zeit. „In diesem Prozess der Ausrichtung befinden wir uns aktuell, das ist eine richtungsweisende Phase.“
Gleichzeitig will die Jeunesse neue Spielstätten in das Programm integrieren. „Es wird immer wichtiger, ,klassische‘ Musik auch an Orten zugänglich zu machen, an denen sie nicht unbedingt verankert ist. Auf diese Weise können wir das konzerterfahrene Publikum einladen, in diesem neuen örtlichen Kontext neue Hörerfahrungen zu sammeln, aber auch junge Menschen auf Musik im Allgemeinen neugierig machen.“
Das Bundesländer-Netzwerk
Die Jeunesse lebt vom Alleinstellungsmerkmal, bundesweit der führende österreichische Konzertveranstalter im Bereich der klassischen Musik zu sein. Wie lässt sich das belegen, welche faktenorientierte Strategie verfolgt die Jeunesse? „Das österreichweite Netzwerk der Jeunesse ist einzigartig, nicht nur national, sondern auch international“, weiß Grüner. „Alleine in unseren 21 Geschäftsstellen in ganz Österreich veranstalten wir über 300 Konzerte pro Jahr und leisten in vielen Regionen oft Basisarbeit als kultureller ,Nahversorger‘.“
Die Jeunesse hat sich für die Jubiläumssaison 2019/20 ein großes strategisches Ziel gesetzt und geht somit einen konsequenten Weg der Erneuerung.
Antonia Grüner wurde 1983 in Salzburg geboren und wuchs in einer musikalischen Familie auf. Sie studierte Rechtswissenschaften in Salzburg, La Rochelle und an der Humboldt Universität zu Berlin. Während des Studi- ums arbeitete sie bei den Salzburger Festspielen und erhielt im Rahmen eines Praktikums bei der Camerata Salzburg wertvolle Einblicke in den Orchesterbetrieb. Antonia Grüner war bis 2013 bei Karsten Witt Musik Management in Berlin als Künstlermanagerin tätig. Danach wechselte sie ins künstlerische Betriebsbüro der Jeunesse, deren künstlerische Leitung sie im Sommer 2016 übernahm.