Chemnitz präsentierte eine unglaubliche kulturelle Vielfalt im Rahmen der Langen Nacht der Museen 2017 …
Das Ziel einer „Langen Nacht“ ist die Öffnung, Begegnung und Lust auf Wahrnehmung zu fördern: im konkreten Fall, Lust auf Wahrnehmung von (bildender) Kunst. Begonnen hat mein Rundgang im Naturkundemuseum sowie in der Neuen Sächsischen Galerie, führte mich dann über das Lokomov in die Zietenstraße (Kreativviertel), zum Straßenbahnmuseum und endete an einem Gedächtnisort, dem Kaßberggefängnis, das von 1933 bis 1945 Juden und Gegnern des Nationalsozialismus als Haftanstalt, in Folge den Sowjets als Gefängnis zur Verfolgung vermeintlicher NS-Verbrecher und danach der Staatssicherheit als größte Untersuchungshaftanstalt in der DDR diente.
Sonnentor, ein Zukunftsort
Der südliche Sonnenberg entwickelt sich zu einem Kreativviertel, hier gibt es Räume und Menschen, die mit Mut neue Wege beschreiten und Stadtentwicklung leben. Besonders erwähnenswert sind Urban Gardening-Projekte wie beispielsweise der Nachbarschaftsgarten Zietenaugust, der insbesondere kommunikationsfördernd wirkt und folglich einen breiten Kulturbegriff positiv auflädt. Bereits etabliert für zeitgenössisches Kunstschaffen hat sich die OFF-Bühne Komplex.
Straßenbahnmuseum
Im Rahmen von Kulturhauptstädten wird auch das Thema Mobilität als Kulturfrage diskutiert. Wie bewegen wir uns fort, wie kommen wir zu unserem Arbeitsplatz, wie kommen wir konsequent weg vom Individualverkehr hin zum öffentlichen Verkehr. Wie schon mehrfach erwähnt, nur im Wissen um die eigene Geschichte kann auch die Zukunft gestaltet werden. Das gilt auch für das Straßenbahnmuseum, das von einem ehrenamtlich tätigen Verein geführt wird. Hier wird renoviert, öffentlich präsentiert, aber auch kommuniziert und soziale Kontakte gepflegt.
Die erste Straßenbahn in Chemnitz fuhr 1880, bis 2025 soll das Chemnitzer Modell umgesetzt sein, sodass die Umgebung mit der Zentralhaltestelle verbunden wird. Ein revolutionäres Modell für eine Stadtregion, die immer noch geprägt ist vom Individualverkehr.
Kaßberggefängnis
Das ehemalige Stasi-Gefängnis am Kaßberg war ein Ort, über den rund 30.000 DDR-Bürger in die damalige BRD freigekauft wurden. Der Verein „Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis“ will diese Zeit in Erinnerung halten, zeigt mit Zeitzeugen eine Epoche, die längst noch nicht vergessen ist und wo Menschen Schicksale erlebt haben. Für mich persönlich eine der berührendsten Begegnungen, die ich in meinem Leben erfahren durfte.
Eine Gefangene aus dem Jahr 1980, verurteilt zu 5 Jahren Freiheitsstrafe, weil sie damals Freiheit forderte, einem Grundrecht des Menschen, führte mich privat durch das Gefängnis. Besonders berührend, als sie erzählte, dass ihr 1982, kurz vor dem Freikauf via Gießen in die BRD, erst bewusst wurde, dass sie ihre Eltern nicht mehr sehen werde. Dass ihr Nachbar ihr vermeintlicher IM war, erfuhr die Dame erst 2010. Sie wohnt heute quasi Seite an Seite mit ihm. Hut ab, wie Menschen solche Geschichten bewältigen …
Dieser Ort muss erhalten bleiben, wir brauchen Orte, wo Geschichte aufgearbeitet wird, wo Menschen Erinnerungen weitergeben, auch um aufzuzeigen, was nicht mehr passieren darf.
Die Tragik einer Langen Nacht der Museen ist überall dieselbe: Man schafft immer nur einen Auszug des Programms. Ich komme auf jeden Fall 2018 wieder.