In Deutschland bereitet rund ein Dutzend Städte eine Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2025 vor. Neben Nürnberg, Magdeburg, Dresden, Hildesheim oder Hannover will auch Chemnitz, das ehemalige Karl-Marx-Stadt, 2025 den Titel Kulturhauptstadt Europas verliehen bekommen.
„Kulturhauptstadt wird man nur gemeinsam“, sagt Ferenc Csák, der 2010 die erfolgreiche Kulturhauptstadt-Bewerbung von Pécs in Ungarn verantwortet hatte.
„Derzeit ist der absolut richtige Zeitpunkt, ein solches Vorhaben zu starten. Wichtig ist, eine Idee zu entwickeln, die das Besondere unserer Stadt als Teil Europas zeigt. Das Programm im Kulturhauptstadtjahr soll europaweit Anziehungskraft entfalten, Menschen neugierig machen auf Chemnitz und zugleich dem Zusammenwirken von Kultur, Bildung und Stadtentwicklung eine neue Qualität verleihen. Entscheidend ist jedoch, dass die Ideen nachhaltige Wirkung entfalten. Mindestens genauso wichtig wie das Veranstaltungsprogramm ist der gemeinsame Bewerbungsprozess und das, was nach 2025 bleibt.“
Ferenc Csák ist seit 2015 Leiter des Kulturbetriebs der Stadt Chemnitz. Es gehe um eine langfristige Strategie, betont der gebürtige Ungar. Die Stadt Chemnitz ist reich an Narrativen, angefangen vom „Sächsischen Manchester“ über die sozialistische Vorzeigestadt, den Strukturwandel der Wende- und Nachwendejahre bis zu den jüngsten strategischen Zukunftsplänen. Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation hat im Rahmen seiner „Morgenstadt City Challenge“ Chemnitz Empfehlungen ausgesprochen, die eine Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ stützen. Gerade in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte scheint es unerlässlich, sich Gedanken über das kulturelle Profil einer Kommune bzw. einer Region zu machen. Es geht um das Selbstverständnis, um Grundprinzipien und um eine Handlungsempfehlung für die kulturelle Entwicklung.
Identität und Veränderung: Kultur trägt wesentlich zu Lebensqualität bei.
Die Spannung zwischen Identität und Veränderung ist ein zentrales europäisches Thema. Chemnitz ist seit jeher geprägt von Umbrüchen, ist eine Stadt der Moderne ebenso wie eine Stadt, die für Dialog und Bürgerbeteiligung steht. Kultur ist in diesem Kontext von zentraler Bedeutung, sie trägt wesentlich zur Lebensqualität bei und stellt zudem einen bedeutenden Standortfaktor dar.
„Ich bin überzeugt, dass Chemnitz eine starke, faszinierende Kulturhauptstadt sein kann“, betont Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig.
Von der langfristigen Entwicklung der Stadt über die strategische Kulturentwicklung, die Stärkung des internationalen Profils und den Ausbau von Programmen, welche die Stadt für junge Menschen attraktiver machen sollen: Die Bewerbung als Kulturhauptstadt eröffnet Chemnitz einen breiten Spielraum, diese Herausforderungen anzunehmen und anzugehen.
Das neu eingerichtete Chemnitzer Kulturhauptstadtbüro mit drei Vollzeitkräften erarbeitet gemeinsam mit einem 10-köpfigen Lenkungsausschuss unter dem Vorsitz der Oberbürgermeisterin, einem 30-köpfigen Programmrat unter der Führung des Kulturamtsleiters, aber auch zahlreichen thematisch besetzten Arbeitsgruppen sowie internationalen Expertinnen und Experten ein Bewerbungspapier und parallel dazu eine Kulturstrategie, die das Jahr 2030 fokussiert. Es geht um die kulturelle Wahrnehmung, um erkennbaren Handlungsbedarf, aber auch um leere Flecken in der Stadt, die mit Leben erfüllt werden können und auch sollen. Und insbesondere will die Stadt Chemnitz einen breiten Kulturbegriff definieren und Stadtentwicklung aktiv betreiben. Denn Städte und Regionen befinden sich bekanntlich im Wettstreit um Einwohner, Touristen und Investoren.
Strategieprozess – für eine neue kulturelle und gesellschaftspolitische Dynamik
Die Basis für den erfolgreichen Strategieprozess bilden die großen Zukunftsfragen der Gesellschaft nach der strukturellen Veränderung der Arbeitswelt, einem neuen Freizeitverhalten der Menschen, den Auswirkungen der Globalisierung, der Medienwelt und der Digitalisierung, dem demografischen Wandel, Migrationsbewegungen und nicht zuletzt nach der Bereitschaft der Bürger zur Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Hier ist Chemnitz Schauplatz und manchmal auch Experimentierfeld und damit beispielhaft für ganz Europa.